Ich bin der Meinung, dass man NIE WIEDER hundertprozentig gesund wird, wenn man einmal eine Essstörung hatte. Man kann diesem Zustand vielleicht sehr nahe kommen, aber ganz lässt es einen nicht mehr los. Man kann sich in Therapie begeben, hart an sich arbeiten, und nach einer Weile erste Erfolge sehen; dem Körper geht es wieder besser, das Essen fällt leichter, das Leben macht wieder Spaß - aber der Kopf wird sich nie wieder davon erholen. Jedenfalls nicht komplett. Die Angst vor zu fettigem Essen, die Angst vor unkontrollierter Gewichtszunahme, die Zweifel, ob man das Richtige tut... das alles ist immer noch vorhanden. Vielleicht nur noch latent und unbewusst, aber es ist da, und in schwierigeren Zeiten gräbt es sich wieder an die Oberfläche und ergötzt sich an der Traurigkeit, der Leere, der Verzweiflung, der Einsamkeit etc.
Ich habe die letzten Wochen gemerkt, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Meine Gedanken drehen sich wieder viel mehr um Essen, Essanfälle, Gewicht, Aussehen etc. Und ich frage mich warum. Was versuche ich damit zu kompensieren, was für eine Motivation steckt dahinter, warum geht es mir psychisch wieder so schlecht? Ging es mir überhaupt mal gut, oder war das auch nur Illusion und Wunschdenken..?!
Zugegeben, die äußeren Umstände sind nicht so rosig, aber reicht das?
Es gibt momentan fünf große, teils echt komplexe Dinge, die mir nahe gehen; um das jetzt nicht zu lang werden zu lassen, werde ich das Wichtigste nennen und weniger ins Detail gehen:
Da hätten wir einmal die Tatsache, dass mich auf der Arbeit eine gewisse Mitazubine fertigmacht. Wir werden NIE auf eine Wellenlänge kommen, dafür sind wir einfach zu verschieden. Trotz allem bin ich der Meinung, dass man damit professionell umgehen sollte - was leider nicht der Fall ist. Sie ist jemand, der die Dinge immer so dreht, dass sie diejenige ist, die positiv dasteht. Sie erzählt Dinge, die so nicht passiert sind, und manchmal auch völlig aus dem Kontext heraus. Sie verbreitet Lügen und lästert was das Zeug ist, kriecht den Leuten in den Arsch, ist unkameradschaftlich, kann mit Kritik nicht umgehen, und geht immer petzen, wenn sie mit jemandem aneinanderrasselt, den sie nicht mag; sie versprüht einfach Falschheit, das merkt man schon daran, dass ihre Stimme mega arschkriecherisch und babymäßig wird, wenn sie mit Vorgesetzten spricht, oder dass sie auf einmal mit zwei anderen (die mit der auch Probleme haben) und mir spricht, wenn jemand dabei ist, aber wenn keiner da ist, morgens nicht einmal die Fresse aufkriegt, wenn man sie grüßt. Ende von der Geschichte: Drei Menschen, mit denen ich mal super auskam, distanzieren sich von mir, und einer redet überhaupt kein Wort mehr mit mir. Ich hab keine Ahnung, was sie erzählt hat. Zwei dieser Menschen sind unmittelbare Kollegen von mir, mit denen ich jeden Arbeitstag zu tun habe. Und dann noch sie dazu... ich mache mir den Abend vorher schon Gedanken, wenn ich weiß, dass sie auch da ist und will gar nicht mehr zur Arbeit.
Na ja. Zweite Sache wäre, dass auch drei Leute aus der Berufsschule nicht mehr mit mir sprechen. Leute von denen ich dachte, dass sie cool sind. Sie echauffieren sich, weil ich mich während der Klinikzeit nicht gemeldet habe, obwohl in meinem WhatsApp Status stand, dass ich nicht erreichbar bin, weil ich meine Ruhe brauchte und ich mich auf die Therapie konzentrieren wollte. "Du hättest dich ja trotzdem melden können!" Super empathisch, oder? Das "Witzige" an der Sache ist, dass sie sich selber nicht gemeldet haben. Und eine meinte sogar, ich hätte ihr dreimal nicht zurückgeschrieben, was ich anhand von Screenshots widerlegen konnte, worauf sie natürlich nichts mehr gesagt hat.
Zweites: Sie sind sauer auf mich, weil ich sie Mobber genannt und gesagt habe, dass ich das niveaulos und armselig finde. "Du übertreibst, das ist überhaupt kein Mobbing, und außerdem musst du zugeben, dass J. manchmal echt komisch ist!"
Wie würdet ihr Sätze wie "Das interessiert doch eh keinen, was du sagst!", oder "Die ist einfach nur dumm!", oder "Warum guckt die so scheiße?" beurteilen? Und das laut in die Klasse rein, wenn besagte Person sich im Unterricht meldet? Oder wenn die beim Rauchen über sie lästern und lachen? Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass eine von denen 25 und Mutter ist; wie kann man in dem Alter nur so unreif und scheiße sein!? Tut mir leid, aber ich mach bei sowas meine Fresse auf, weil ich es einfach gemein, unfair, unnötig, und niveaulos finde.
Drittens wäre dann die Tatsache, dass ich mich aufgrund dieser zwei Punkte nicht mehr wohlfühle in meinem Arbeitsumfeld. Und ich habe auch einfach gemerkt, dass das nicht mein Beruf ist und ich mich unterfordert fühle... das hört sich jetzt mega arrogant an, ich weiß... aber es ist einfach die Realität. Bin verzweifelt auf der Suche nach Ausbildungsplätzen in Hamburg, möchte umziehen und nochmal neu anfangen. Dort habe ich auch verhältnismäßig viele Freunde von den Klinikaufenthalten. Aber bisher ist meine Suche leider erfolglos. Wenn ich daran denke, dass ich dann noch mindestens ein Jahr dort bleiben muss... ich weiß wirklich nicht, ob ich das psychisch hinkriegen würde.
Und als letztes wären da noch die Trennung, mit der ich immer noch heftig zu kämpfen habe, und mit der Tatsache, dass dieser Mensch nichts mehr mit mir zu tun haben will und mir keine Chance auf ein letztes Gespräch gegeben, sondern das ganze über WhatsApp beendet hat.
Und natürlich der Suizid meines Chefs, den ich immer noch nicht realisiert habe und ich echt traurig bin, dass ich ihn nie wieder sehen werde und ich mich auch nie wieder mit ihm unterhalten kann.
Aber reicht das für einen Rückfall? Ich denke mir einfach nur, dass ich irgendwas falsch mache, wenn mich so viele Leute nicht abkönnen, und dass irgendwas an mir nicht richtig sein muss. Dass ich doch nicht so cool bin, wie viele sagen. Und dass ich eigentlich nur noch alleine sein will.
Essanfälle klingen verlockend, dann wäre ich für einige Augenblicke wieder "glücklich". Abnehmen klingt super, denn dann hätte ich wieder was, worauf ich "stolz" wäre. Essstörung klingt wunderbar, denn dann hätte ich etwas, was mich von allem anderen ablenkt und womit ich meinen Tag füllen könnte; Essstörung klingt wunderbar, weil ich somit alle Gefühle, die ich momentan habe, nicht mehr spüren würde. Leere ist besser als Achterbahn fahren, Leere ist besser als fett sein, Leere ist besser als das ungstüme Leben.
Was rede ich da eigentlich wieder? Ich will nicht zurück, will meinen Tag nicht nur mit essen und kotzen verbringen, will nicht mehr dauerpleite sein, will mich nicht mehr abkapseln von allen, und will auch nicht immer nur wegrennen vor den Dingen.
Aber es ist so verlockend. Die Gedanken daran manifestieren sich, schon die ganzen letzten Wochen. Ich steige wieder auf die Waage und tue auch fast alles andere, was damit zusammenhängt. Ich triggere mich selbst mit vollem Bewusstsein.
Ich hab einfach keine Ahnung, was ich tun soll.